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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: 3 VAs 1/05
Rechtsgebiete: EGGVG, GG, StPO, StrVollStrO


Vorschriften:

EGGVG § 23
EGGVG § 24
EGGVG § 26 I
EGGVG § 28 I 4
GG Art. 1 I
GG Art. 2 II 2
GG Art. 3 I
GG Art. 19 IV
GG Art. 104 I
StPO § 457 II
StPO § 459 e
StrVollStrO § 21
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist innerhalb der Frist des § 26 I EGGVG in der Form des § 24 I EGGVG zu begründen. Hierzu ist der Vortrag von Tatsachen erforderlich, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung schlüssig ergibt.

2. Ein Vollstreckungshaftbefehl und der auf die Vorschaltbeschwerde ergehende Bescheid werden durch die Verhaftung des Betroffenen und seine anschließende Überführung in die Strafhaft gegenstandslos. Eine gerichtliche Überprüfung kann nur noch unter den besonderen Voraussetzungen des § 28 I 4 EGGVG erfolgen.

3. Bei Vorliegen eines schwerwiegendes Grundrechtseingriffs durch Erlass und/oder Vollzug des Vollstreckungshaftbefehls kann das Feststellungsinteresse nicht verneint werden.

4. Durch Erlass und Vollzug eines Vollstreckungshaftbefehls kann das Freiheitsgrundrecht nicht verletzt sein, weil die Freiheitsbeschränkung ihre Grundlage nicht in dem Vollstreckungshaftbefehl, sondern in dem zu vollstreckenden Strafausspruch hat. Dies gilt auch, wenn eine Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 459 e StPO vollstreckt wird.

5. Ob die Voraussetzungen für eine Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe vorliegen, ist in dem gegen den Vollstreckungshaftbefehl gerichteten Verfahren nach §§ 23 EGGV nicht zu prüfen. Auch eine Überprüfung, ob diese unter Verletzung des Willkürverbotes bejaht wurden, findet in diesem Verfahren nicht statt. Hingegen ist zu überprüfen, ob durch das von der Staatsanwaltschaft eingeschlagene Verfahren bei Erlass und Vollzug des Vollstreckungshaftbefehls gegen das Willkürverbot verstoßen wurde.


Gründe:

Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte den Beschwerdeführer am 24.1.2003 wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 15 €. Nachfolgende Zahlungsaufforderungen blieben ebenso fruchtlos wie der Vollstreckungsversuch vom 22.8.2003.

Mit Verfügung vom 23.7.2004 wurde die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe eingeleitet und der Beschwerdeführer zum Strafantritt geladen. Der Ladung kam er nicht nach. Statt dessen erhob er Einwendungen gegen die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, namentlich begehrte er Strafaufschub nach Maßgabe des § 455 I - III StPO. Dieser wurde ihm mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 1.6.2004 versagt, seine Einwendungen wurden zurückgewiesen. Sein hiergegen gerichteter Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies das Amtsgericht Frankfurt am Main am 7.10.2004 zurück, seine dagegen eingelegte sofortige Beschwerde verwarf das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 9.11.2004.

Zuvor war von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt am Main am 20.8.2004 Vollstreckungshaftbefehl gegen den Verurteilten erlassen worden, der nach Zurückweisung der dagegen gerichteten Vorschaltbeschwerde durch Bescheid der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht vom 3.11.2004 - zugestellt am 6.12.2004 im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten unter der Wohnanschrift des Verurteilten - vollzogen wurde. Am 3.12.2004 wurde der Verurteilte verhaftet und verbüßte bis einschließlich 31.12.2004 die Ersatzfreiheitsstrafe. Deren (bis 1.4.2005 notierter) Rest wurde nicht vollstreckt, weil der Verurteilte einen Teil der Geldstrafe bezahlte.

Mit seinem Antrag vom 5.1.2005 wendet sich der Verurteilte gegen den genannten Vollstreckungshaftbefehl in Gestalt des Beschwerdebescheides der Generalstaatsanwaltschaft.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nicht zulässig.

Die Unzulässigkeit folgt bereits daraus, der Antrag nicht - wie es geboten gewesen wäre (OLG Hamm, MDR 1983, 602; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 26 EGGVG Rn 3 mwN) - innerhalb der Monatsfrist des § 26 I EGGVG in der Form des § 24 I EGGVG begründet worden ist.

Die Frist ist nunmehr verstrichen. Bei Wirksamkeit der Zustellung vom 6.12.2004 war dies mit Ablauf des 6.1.2005 der Fall. Nimmt man hingegen bereits eine länger andauernde Nichtnutzung der Wohnräume wegen der in der Zeit vom 3.12.2004-31.12.2004 erfolgter Inhaftierung an und geht deshalb von der Unwirksamkeit der Ersatzzustellung (vgl. hierzu OLG Hamm, NStZ 2003, 174; Meyer-Goßner, § 37 Rn 9 mwN) aus, begann die Frist auf Grund der Regelung der §§ 37 I 1 StPO, 189 ZPO jedenfalls am 31.12.2004 zu laufen. An diesem Tage fand nämlich der Beschwerdeführer nach eigenem Vorbringen den Beschwerdebescheid nach Rückkehr aus der Haft in seinem Briefkasten vor. Die Frist war damit spätestens mit Ablauf des 31.1.2005 verstrichen.

Die innerhalb der genannten Frist allein erfolgte, im Antrag vom 5.1.2005 enthaltene "Begründung" genügt nicht den Anforderungen an die Substantiierung der Rechtsverletzung. Hierzu wäre der Vortrag von Tatsachen erforderlich gewesen, aus denen sich schlüssig eine Rechtsverletzung durch den Erlass und Vollzug des Vollstreckungshaftbefehls in der Gestalt des Beschwerdebescheides ergeben hätte (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 28.4.1998 - 3 VAs 19/98 und h.M. vgl. Meyer-Goßner, § 24 EGGVG Rn 1; Kissel, in KK-StPO, 5. Aufl., § 24 EGGVG Rn 1). Dieser Sachvortrag wurde nicht einmal ansatzweise geleistet. Aus dem Antrag ergibt sich vielmehr lediglich, dass der Vollstreckungshaftbefehl erlassen und die hiergegen eingelegte Vorschaltbeschwerde zurückgewiesen wurde. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen sind weder offenkundig noch aktenkundig. Namentlich sind Gründe, welche den Antragsteller gehindert haben könnten, am 5.1.2005 zu Protokoll der Rechtspflegerin seinen Antrag (formgerecht) zu begründen, statt wie aus dem Protokolle ersichtlich, "darauf zu bestehen", lediglich einen - unstatthaften - Antrag auf Verlängerung der Frist zu stellen, nicht erkennbar.

Auch unbeschadet der Versäumung der Frist für eine formgerechte Antragstellung ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht zulässig.

Die Aufhebung des gegen ihn gem. § 457 II StPO ergangenen Vollstreckungshaftbefehls kann der Verurteilte im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG nicht mehr erreichen, da der Vollstreckungshaftbefehl und der Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft durch die Festnahme des Verurteilten am 3.12.2004 und seine anschließende Überführung in die Justizvollzugsanstalten O 1 und O 2 gegenstandslos geworden sind (Senat, Beschl. v. 4.6.1997 - 3 VAs 10/97; OLG Hamm, NStZ 1992, 524; Paulus, in: KMR-StPO, § 457 Rn 22, 28 -jew. mwN). Zwar kann in solchen Fällen eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der genannten Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden unter den besonderen Voraussetzungen des § 28 I 4 EGGVG erfolgen (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschl. v. 12.7.2004 - 3 VAs 25/04 mwN; OLG Hamm, NStZ 1987, 517). Indes mangelt es am dafür erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse.

Wiederholungsgefahr ist weder nach dem Vortrag des Antragstellers noch nach Aktenlage erkennbar. Die Geldstrafe ist nunmehr vollständig getilgt.

Auch ein Fortbestand des Rechtsschutzinteresses gegen den erledigten Vollstreckungshaftbefehl aus den Rechtsgrundsätzen des Art. 19 IV GG ist nicht gegeben. Zwar gebietet diese Bestimmung einen umfassenden Rechtsschutz des Bürgers gegen staatliche Hoheitsakte jedenfalls dann, wenn diese einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff - namentlich einen Verstoß gegen Art. 1 I, 2 II 2 oder das Willkürverbot des Art. 3 I GG - bewirken und der Betroffene hiergegen - wie es bei Erlass und Vollzug eines Vollstreckungshaftbefehls in der Regel der Fall ist - nicht rechtzeitig vor Eintritt der Erledigung Rechtsschutz erlangen kann (vgl. hierzu BVerfG, NStZ-RR 2004, 252; Senat, Beschl. v. 12.7.2004 - 3 VAs 25/04). An einem derartigen Grundrechtseingriff mangelt es indes vorliegend.

Durch Erlass und Vollzug des Vollstreckungshaftbefehls kann das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 II 2 i.V. mit Art. 104 I, II GG nicht verletzt sein. Die Freiheitsbeschränkung hat ihre Grundlage nicht in dem Vollstreckungshaftbefehl, sondern in dem zu vollstreckenden Strafausspruch (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2004, 252 [253]; Senat, Beschl. v. 11.4.2002 - 3 VAs 7/02), hier also im Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 26.1.2003 und der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Verfügung vom 23.7.2004. Einwendungen gegen letztere, auch aus der Regelung des § 455 I - III StPO unterliegen der gerichtlichen Überprüfung nur nach Maßgabe der §§ 459 h, 458 II StPO. Sie sind hier durch die Entscheidungen der hierfür nach § 462a II 1 StPO vor Inhaftierung des Verurteilten zuständigen Gerichte, nämlich des Amtsgerichts Frankfurt am Main als erstinstanzlich erkennendes Gericht und des Landgerichts Frankfurt am Main als diesem übergeordnetes Beschwerdegericht rechtskräftig zurückgewiesen worden. Hierdurch wird der Garantie des Freiheitsgrundrechts und seiner Absicherung durch Art. 104 GG genügt (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2004, 252 [253]). Sie sind mithin gem. § 23 III EGGVG der - nochmaligen - Nachprüfung durch den Senat entzogen (vgl. Senat, Beschl. v. 15.6.2000 - 3 VAs 28/00 und v. 19.12.2000 - 3 VAs 58/00). Dies gilt - mit Blick auf das Gebot der Wahrung des gesetzlichen Richters (Art. 101 I GG) auch für etwaige Verletzungen des Willkürverbots nach Art. 3 I GG (vgl. BGH, NJW 2002, 765 [766]; Senat, Beschl. v. 18. Dezember 2002 - 3 Ws 1171/02). Eine solche Grundrechtsverletzung ist überdies in den zutreffend begründeten Entscheidungen von Amts- und Landgericht, mit denen der begehrte Strafaufschub versagt wurde, nicht erkennbar.

Ein Verstoß gegen das Willkürverbot bei Erlass und Vollzug des Vollstreckungshaftbefehls scheidet ebenfalls aus. Vielmehr konnte dieser, nachdem die Vollstreckung der Geldstrafe gescheitert und die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden war sowie der Ladung zum Strafantritt nicht Folge geleistet wurde, nach § 457 II StPO erlassen und - unbeschadet der unterlassenen Bescheidung des gestellten Antrags nach § 458 III StPO - jedenfalls nach Rechtskraft der die Einwendungen gegen die Anordnung nach § 459 e StPO zurückweisenden Entscheidungen auch vollzogen werden.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 I, III EGGV, 30, 130 I KostO.

Ende der Entscheidung

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